Auf der Farm von Gladys Bullarezo und Nicolás Guerrero
Die Farm von Gladys Bullarezo (55 Jahre) und Nicolás Guerrero (59) liegt in dicht bewaldeter Hanglage nahe der Gemeinde La Florida, ein halbe Stunde Autofahrt von der Kantons-Hauptstadt Ponce Enríquez in der Provinz Azuay entfernt: 10 Hektar mit Bananen, dazwischen 8 Hektar Kakao und 1,5 Hektar Wasserschutzgebiet als Agroforstwirtschaft betrieben. Zwischendurch stehen Obstbäume. Die Mandarinen sind so groß wie Apfelsinen. Als Nicolás das Gelände 1980 kaufte schien der Bananenanbau dort unmöglich: „Auf amtlich registrierten Bananenfeldern sollten laut Gesetz keine Bäume stehen", erklärt Nicolás. Nur für den Bioanbau war das erlaubt. „Aber wir mussten dafür kämpfen, dass wir Biobananen nicht nur anbauen sondern auch exportieren können. Die Agrartechniker hielten das für unmöglich."
Bioanbau funktioniert anders als chemisch gedopte Plantagen
Nicolás liefert in der Hochsaison pro Woche 150 bis 200 Kartons Biobananen zur Verschiffung an Urocal. In der Tiefsaison sind es um die 65 Kartons. Klimaschwankungen und die Arbeit bei der Kakaoernte von Juni bis August verringern die Bananen-Erntemengen. Bio-Kleinbauern haben auf kurze Sicht zwangsläufig geringere Ertragsmengen als chemisch gedopte Plantagen. Urocal hat mit den Produzenten ein Programm zur Einrichtung von Wassersprinklern organisiert, um den Ertrag zu steigern. Das kostet 1.500 Dollar pro Hektar, aber Nicolás konnte die Kosten durch Eigenarbeit auf 200 Dollar senken. Nur ein Teil der Farm wird mit Sprinklern bewässert. Der Wald bewahrt das Grundwasser und die Fruchtbarkeit. Zusammen mit seinem Nachbarn David Romero hütet er 7 Hektar Naturreservegebiet oben am Berg. Dort hat er zwei Sammelbecken gebaut und Bewässerungsrohre zu seiner Finca gelegt. Um die Becken haben sie 300 Bäume gepflanzt. Den Biodünger stellt Nicolás selbst her: Pflanzenreste, Reisschalen, Hühner-, Kuh- und Ziegenmist mit Sägemehl gemischt, als Zusatz zu dem, was sowieso auf dem Acker an organischem Material zu Nährstoffen vermodert. Auf einem etwas lichteren Teil der Finca hängen Orangen und Zitronenbäume voll mit Früchten.
Auf dem steilsten Teil der Farm kann man die Bananen manchmal vor lauter Bäumen nicht sehen. Abgefallene Äste und Blätter lassen unerfahrene Besucher stolpern, während man durch dicht überwachsene Geländefurchen stapft. Tropische Natur satt, aber es ist harte Arbeit, hier Bananenbüschel zu schneiden und wegzutragen. Nicolás geht an der Spitze seiner Erntearbeiter, wählt mit ihnen die Büschel aus, packt sich zwei davon auf die Schultern und eilt durchs Gebüsch und einen Bachverlauf einige hundert Meter zur Packstation.
Alltag auf der Finca
Nicolás' Arbeitstag beginnt um 5:30 morgens, wenn er sich im Kleinlastwagen auf den zehnminütigen Weg zur Finca macht. Sein Arbeitstag endet, wenn der helle Tag vorbei ist. Er hat sechs Arbeiter, die 100 Dollar in der Woche verdienen. Bei der Ernte sind junge Burschen aus dem Dorf tätig, volljährige Nachbarssöhne, die zwischendurch freie Tage nehmen. Sie wollen den vollen Lohn ohne Monatsabzug von 38 Dollar für die Bauern-Sozialversicherung. Nicolás zahlt für sich selbst ein. Sein Rentenanspruch liegt derzeit bei 40 Dollar im Monat. Aber wichtiger ist ihm die Versorgungsleistung im Krankheitsfall, die auch seine Frau Gladys einschließt. Sie stammt aus der Gebirgsstadt Cuenca. Seit dreißig Jahren ist sie mit Nicolás verheiratet. Sie führt den Haushalt, der eng mit dem Arbeitsablauf auf der Farm verbunden ist, und arbeitet am Erntetag beim Bananenwaschen. Ausserdem versorgt sie bis zu 10 Personen mit Essen und Trinken. Gladys war sehr engagiert beim Programm der Haus- und Gemeindegemüsegärten, das Urocal unter Leitung von Flor María Serrano und Geoconda Mendieta durchgeführt hat. Sie wünscht sich eine Neuauflage. "Mir gefallen auch die Kurse zu Gender-Fragen und für eine bessere Ernährung mit Produkten aus den Gemüsegärten. Ich hätte gerne mehr Möglichkeiten zum Lernen gehabt." Die waren früher für eine Mutter in einem Bauernhaushalt einer etwas abgelegenen Farm kaum gegeben.
Ihre zwei Töchter hatten bessere Chancen und nahmen sie wahr. Die älteste Tochter (29) ist Buchhalterin und lebt in Cuenca. Sohn Wilson (27) ist LKW-Fahrer und arbeitet manchmal auf der Farm. Die jüngste Tochter María Fernandez (23) studiert Bank- und Finanzwesen an der Fernuniversität, erledigt die Büroarbeit der Farm, arbeitet an Erntetagen beim Bananenwaschen und führt ein Internet-Café im Dorf. Ihr Ehemann ist der Sohn des Nachbarn David Romero und arbeitet auf der väterlichen Farm. Freitags fährt Gladys mit Nicolás nach Machala zum Abrechnen der Bananenlieferung im Urocal-Büro und macht Einkäufe. Samstags besucht sie ihren Vater im benachbarten Shumiral. Eine neue Abwechslung und neue Aufgabe kam 2014 in ihr Leben, als ihre Tochter María Fernandez den Sohn Mateo bekam. Während Mutter und Großmutter Bananen waschen, schläft er in einer Hängematte unter dem Dach der Packstation.
Nicolás Guerrero und Nachbar David Romero gehören schon lange zu Urocal. Sie wissen, wie in La Florida 1969 alles anfing. Kleinbauern und Tagelöhner nahmen seit 20 Jahren brachliegende Ländereien in Besitz. Das verlief nicht ohne Blockadeaktionen, Tränengas und Verhaftungen. Denn bei den Gesetzen zur Landreform und Erschließung neuen Ackerlandes – es gab drei Agrarreformgesetz zwischen 1963 und 1990 – ging es nicht immer nur um gerechtere Besitzstrukturen, sondern auch um die Erhöhung der Agrarproduktion. Mit dem Goldabbau neureich gewordene Agrarunternehmer waren finanziell im Vorteil. Urocal entstand zur Verteidigung der Kleinbauern in diesem komplizierten Agrarreformprozess.